3.12 Idiopathische Myositiden

Definition

Idiopathische Myositiden sind entzündliche Krankheiten der Skelettmuskulatur, die klinisch mit Muskelschwäche, Muskelatrophien, gelegentlich auch Muskelschmerzen einhergehen bei Nachweis von Muskelschädigungszeichen (elektromyographisch, labormedizinisch mit Erhöhung skelettmuskeltypischer Enzyme im Serum, Erhöhung von Myoglobin u.a.) und entzündlichen Infiltraten in der Muskulatur (Muskelbiopsie). Die wichtigsten klinischen Krankheitsformen sind die Polymyositis, die Dermatomyositis und die Einschlußkörpermyositis.

Die Polymyositis betrifft vorwiegend die Muskulatur des Schulter- und Beckengürtels. Mit Ausnahme der Haut finden sich häufig extramuskuläre Symptome an inneren Organen (Lunge, Ösophagus) und Blutgefäßen.

Eine Dermatomyositis liegt vor, wenn neben typischen entzündlichen Muskelveränderungen charakteristische Hautläsionen nachweisbar sind (Dermatomyositis-typisches generalisiertes Exanthem, livide, leicht schuppende Erytheme an Stirn, Wangen, Halsausschnitt, Nacken, Gottron-Effloreszenzen an den Händen, Ellbogen oder Knien, periunguale Erytheme, Poikilodermie).

Die Einschlußkörpermyositis (5) ist eine schleichend meist nach dem 50. Lebensjahr beginnende chronische entzündliche Skelettmuskelerkrankung mit Schwäche und Atrophie sowohl der Muskulatur der proximalen wie der distalen Extremitätenabschnitte, charakteristischen histologischen Veränderungen der Skelettmuskelzellen (Nachweis von Einschlußkörpern mit Vakuolen wie Ubiquitin, hyperphosporylertes tau-Protein und Filamenten von 15 - 21 nm Größe) und schlechtem therapeutischem Ansprechen auf immunsuppressive Medikamente.

Klassifikation

Für die Poly- und Dermatomyositis werden am häufigsten die 1975 von Bohan und Peter beschriebenen Klassifikationskriterien verwendet (1, 2).

  1. Klinisch symmetrische proximal betonte Muskelschwäche
  2. Histologisch Nekrosen von Typ-I- und Typ-II-Muskelfasern, Myophagie, perifaszikuläre Atrophie, entzündliches Infiltrat (interstitiell oder perivaskulär)
  3. Labormedizinisch Erhöhung skelettmuskeltypischer Enzyme im Serum (Creatinkinase u.a.) und/oder Myoglobin im Serum oder Urin
  4. Elektromyographisch kurze, kleine polyphasische Aktionspotentiale, Fibrillationen, positive scharfe Wellen, insertionale Irritabilität und bizarre hochfrequente Entladungen
  5. Dermatomyositis-typische Hautveränderungen: periorbitale livide Erytheme und Ödeme, erythematöse Dermatitis (Gesicht, Hals, Hände, Nagelfalz)

 

Diagnose

gesichert

wahrscheinlich

möglich

Polymyositis

Kriterium 1-4 +

3 der Kriterien 1-4 +

2 der Kriterien 1-4 +

Dermatomyositis

3 der Kriterien 1-4 +*

2 der Kriterien +*

1 der Kriterien 1-4 +*

* in Verbindung mit typischen Hautmanifestationen

Die Diagnosekriterien sind nicht validiert (Sensitivität und Spezifität nicht bekannt).

- Muskuläre Symptome der idiopathischen Myositis (Nachweishäufigkeit) sind

- Häufige extramuskuläre Symptome sind

Bei der Dermatomysitis des Erwachsenen findet sich eine erhöhte Rate von Neoplasien. Die Polymyositis ist bei Kindern selten. Die Dermatomyositis im Kindes- und Jugendalter geht oft mit subkutanen Kalzifikationen einher.

Für die Einschlußkörpermyositis sind keine Klassifikations- oder Diagnosekriterien definiert. Zwei Formen werden unterschieden: die sporadische Einschlußkörpermyositis, die bevorzugt Männer nach dem dem fünfzigsten Lebensjahr betrifft und zu fortschreitender proximaler und distaler Muskalschwäche und -atrophie führt und die selteneren hereditären Formen der Einschlußkörpermyositis, die zwar Einschlußkörper in der Muskulatur zeigen, jedoch keine lymphozytären Infiltrate.

Seltene histologische Sonderformen der idiopathischen Myositis sind die granulomatöse Myositis und die eosinophile Myositis.

Autoantikörper-assoziierte myositische Syndrome

Bei der Poly- und Dermatomyositis finden sich in über 80 % der Fälle Antikörper gegen nukleäre oder zytoplasmatische Antigene (3,4). Die Autoantikörper sind meist typisch für ein Myositis-assoziiertes Syndrom (Tabelle 1). Bei der Einschlußkörpermyositis finden sich keine Autoantikörper.

Tabelle 1: Serologisch-klinische Korrelation bei Myositis-assoziierten Syndromen

Autoantikörper

Klinisches Bild (häufige Manifestationen)

Antisynthetase-Antikörper (Jo-1, Pl-7, Pl-12, OJ, EJ)

Myositis, fibrosierende Alveolitis, Arthritis

Anti-SRP

akute und subakute Polymyositis

Anti-Mi-2

meist chronische Dermatomyositis

Anti-PM-Scl

oft Sklerodermie-Myositis-Overlap (PM-Scl-Syndrom)

Anti-U1-RNP

Mixed Connective Tissue Disease (ca. 50 %)

Anti-Ku

oft Sklerodermie-Myositis-Overlap

Differentialdiagnose

Auszuschließen sind:

Literatur

  1. Bohan, A., J. B. Peter. (1975) Polymyositis and dermatomyositis (first of two parts). N. Engl. J. Med. 292:344-347.
  2. Bohan, A., J. B. Peter. (1975) Polymyositis and dermatomyositis (second of two parts). N. Engl. J. Med. 292:403-407.
  3. Genth, E., R. Mierau. (1995) Diagnostische Bedeutung Sklerodermie- und Myositis-assoziierter Autoantikorper. Z Rheumatol. 54:39-49.
  4. Targoff, I. N. (1992) Autoantibodies in polymyositis. Rheum. Dis. Clin. North Am. 18:455-482.
  5. Vogel, H. (1998) Inclusion body myositis--a review. Adv. Anat. Pathol. 5:164-169.

 

 

 

Am gebräuchlichsten sind die Klassifikationskriterien von Bohan und Peter (1975; 1, 2) 

  1. Klinisch symmetrische proximale Muskelschwäche (Schulter- und Beckengürtel, Halsflexoren) 
  2. Histologisch Nekrosen von Typ-l- und Typ-II-Muskelfasern, Myophagie, perifaszikuläre Atrophie, entzündliches Infiltrat (interstitiell oder perivaskulär) 
  3. Labormedizinisch Erhöhung muskeltypischer Enzyme im Serum (Creatinkinase u.a.) und/oder Myoglobin in Serum oder Urin erhöht 
  4. Elektromyographisch kurze, kleine polyphasische Aktionspotentiale, Fibrillationen, positive scharfe Wellen, insertionale Irritabilität und bizarre hochfrequente Entladungen 
  5. Dermatomyositis-typische Hautveränderungen: periorbitale, livide Erytheme und Ödeme, erythematöse Dermatitis (Gesicht, Hals, Hände, Nagelfalz)

Beurteilung siehe Tabelle 1.
 
Tabelle 1 Diagnoseklassifikation von Poly- und Dermatomyositis (1, 2)

Diagnose

gesichert

wahrscheinlich

möglich

Polymyositis

Kriterium 1-4 positiv

3 der Kriterien 1-4 positiv 

2 der Kriterien 1-4 positiv

Dermatomyositis

3 der Kriterien 1-4 positiv*

2 der Kriterien 1-4 positiv*

1 der Kriterien 1-4 positiv*

* in Verbindung mit typischen Hautmanifestationen
 

 Bemerkungen

Tabelle 2. Serologisch-klinische Korrelationen bei Myositis-assoziierten Syndromen

Autoantikörper

Klinisches Bild (häufige Symptome

Antisynthetase-Antikörper 
(Anti-Jo-u.a.) 
Anti-SRP 
Anti-Mi-2 
Anti-Pm-Scl 
Anti-U1-nRNP 
Anti-Ku

Myositis, fibrosierende Alveolitis, 
Arthritis
akute und subakute Polymyositis 
Dermatomyositis 
meist Skleroderma-Myositis-Overlap 
oft Mixed Connective Tissue Disease 
oft Skleroderma-Myositis-Overlap, 
selten SLE

Differentialdiagnose

Auszuschließen sind:

Klinische Varianten

Literatur

  1. Bohan A, Peter JB (1975) Polymyositis and dermatomyositis (first of two parts). New Engl J Med 292: 344 - 347
  2. Bohan A, Peter JB (1975) Polymyositis and dermatomyositis (second of two parts). New Engl J Med 292 (8): 403 - 407