3.13 Polymyalgia rheumatica

Definition

Die Polymyalgia rheumatica (PMR) ist ein ätiologisch unklares Krankheitsbild älterer Menschen, charakterisiert durch Schmerzen und Steifheit mit Bewegungseinschränkungen muskulären Ursprungs im Bereiche des Nackens und bilateral von Schulter- und/oder Beckengürtel verbunden mit beeinträchtigtem Allgemeinzustand, Gewichtsverlust, subfebrilen Temperaturen und dem Nachweis von Entzündungsparametern. Es besteht ein dramatisches Ansprechen auf eine Glukocorticoidmedikation.

Diagnosekriterien

Bisher existieren keine international anerkannten diagnostischen Kriterien. Aus einer in England durchgeführten multizentrischen Studie wurde eine Rangfolge von 7 Diagnosekriterien abgeleitet, aus der sich im Vergleich mit PMR-ähnlichen Krankheitsbildern die höchste Sensibilität und Spezifität für die PMR ergab (1).
 
  1. Beidseitige Schulterschmerzen und/oder beidseitige Steifigkeit (alternativ auch Schmerzen in folgenden Regionen: Nacken, Oberarme, Gesäß, Oberschenkel) 
  2. Akuter Krankheitsbeginn (innerhalb von 2 Wochen) 
  3. Initiale BSG-Beschleunigung von über 40 mm in der ersten Stunde 
  4. Morgendliche Steifigkeit von mehr als einer Stunde 
  5. Alter über 65 Jahre 
  6. Depression und/oder Gewichtsverlust 
  7. Beidseitiger Oberarmdruckschmerz 

Der Schulterschmerz ist der beste Diskriminator gegenüber PMR-ähnlichen Symptomen. Eine wahrscheinliche PMR wird angenommen, wenn drei Kriterien positiv sind oder ein Kriterium zusammen mit einer Temporalarteriitis auftritt.

Zusätzliche Symptome und Befunde

Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger als Männer von einer PMR betroffen. Der Krankheitsbeginn liegt in der Regel jenseits des 50. Lebensjahres.

Differentialdiagnose

Das polymyalgische Beschwerdebild läßt an eine große Zahl unterschiedlicher Krankheitsbilder denken, deren Leitbefunde sich aus der Tabelle ergeben. Bei fehlenden Hinweisen auf eine infektiöse (z. B. subakute Endokarditis) oder neoplastische Erkrankung kann ein promptes Ansprechen auf eine Glukocorticoidmedikation diagnoseweisend sein. Bei einer zusätzlichen histologisch nachgewiesenen Temporalarteriitis gilt die Diagnose einer PMR als gesichert.

Tabelle 1 Wichtige Differentialdiagnosen der Polymyalgia rheumatica

Erkrankung

Unterscheidungskriterien

Alters-RA

chronisch-symmetrische Synovialitiden 
chronisch-erosive Gelenkveränderungen 
Rheumafaktor-Nachweis 

Fibromyalgie 

fehlende systemische Entzündungszeichen 
klinischer Nachweis typischer Druckpunkte 

Para- oder postinfektiöse Myalgien 

flüchtige Myalgien (Virusinfekte) 
Virustiter (z.B. Influenza, Röteln, Hepatitis) 
Bakterienserologie (z.B. Gruber-Widal, 
Lyme Borreliose, AST, Chlamydien) 

Bakterielle Endokarditis 

Blutkulturen, Echokardiogramm

Paraneoplastische Syndrome 

Tumornachweis 
evtl. Glucocorticoidversuch 

Polymyositis

Muskelschwäche stärker als Myalgien ausgeprägt 
Muskelenzyme (CK, GOT) erhöht 
Elektromyogramm pathologisch 
Muskelbiopsie diagnoseweisend

Kollagenosen (SLE)

Autoantikörper (ANA) positiv 
Komplementstatus verändert 
Multiorganbefall (Haut, Nieren, Lunge, ZNS)

Systemische Vaskulitiden

Autoantikörper (z.B. ANCA) positiv 
Kryoglobuline, Komplement-Verminderung 
Multiorganbefall 
Haut-, Muskelbiopsie

Plasmozytom 

Immunelektrophorese, Bence-Jones- 
Proteine, Beckenkammbiopsie, röntgenologische 
Skelettveränderungen 

Schilddrüsenerkrankungen

T3, T4, TSH, Schilddrüsen- Autoantikörper

 

Literatur

  1. Bird HA, Esselinckx W, Dixon AS, Mowat AG, Wood PNH (1979) An evaluation of criteria for polymyalgia rheumatica. Ann Rheum Dis 38: 434 - 439
  2. Gerber N (1978) Polymyalgia rheumatica. Ein Teilaspekt der Riesenzellarteriitis. Erg Inn Med Kinderheilk 40: 85 - 149
  3. Kaiser H (1987) Polymyalgia rheumatica - eine immer noch zu wenig bekannte Krankheit. Internist Welt 1: 13 - 23
  4. Schmidt D (1995) Arteriitis temporalis Horton. Diagnose, Differentialdiagnose, Therapie. Elephas, St. Gallen
  5. Vaith P, Hänsch GM, Peter HH (1988) C-reactive protein-mediated complement activation in polymyalgia rheumatica and other systemic inflammatory diseases. Rheumatol Int 8: 71 - 80