3.3 Chronische Arthritis im Kindesalter
Synonyma
Juvenile chronische Arthritis, juvenile Rheumatoide Arthritis
International gültige Kriterien
EULAR/WHO 1977 - Juvenile chronische Arthritis (JCA)
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Beginn vor Vollendung des 16. Lebensjahres
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Persistierende oder rezidivierende Arthritis, Dauer mindestens 3 Monate
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Ausschluß aller ähnlichen Erkrankungen (s. Exklusionen), juvenile
Spondarthritis bzw. Spondylitis, juvenile Psoriasis-Arthritis, Arthritis
bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in der Diagnose JCA enthalten
ARA/ACR 1977 - Juvenile rheumatoid Arthritis (JRA)
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Persistierende Arthritis an ein oder mehreren Gelenken, Arthritis Gelenkschwellung
oder Funktionseinschränkung mit Überwärmung oder Schmerz,
Dauer mindestens 6 Wochen
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Ausschluß aller ähnlichen Erkrankungen (s. Exklusionen). In
der Diagnose JRA nicht enthalten und somit zu den Exklusionen gehörend:
Juvenile Spondarthritis bzw. Spondylitis, juvenile Psoriasis-Arthritis,
Arthritis bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
Es bestehen weltweit ernsthafte Bestrebungen, die Nomenklatur und Klassifikation
der juvenilen Arthritis zu überarbeiten und einheitlich festzulegen.
So wurde anläßlich des ILAR-Kongreß in B Barcelona 1993
ein Komitee zur Ausarbeitung gemeinsamer Richtlinien gegründet. Bisher
werden in Amerika und Europa noch unterschiedliche Kriterien angewendet.
Das Hauptproblem bisheriger Kriterien liegt in der zeitlichen Festlegung,
die zwar für Studien herangezogen werden kann, sich jedoch in der
Praxis mit der reaktiven Arthritis breit überschneidet.
Einteilung in Subgruppen
Die Einteilung in Subgruppen erfolgt entsprechend der Symptomatik der ersten
6 Monate. Diagnostisch wichtige Symptome und Befunde sind beigefügt.
Oligoarthritis Typ I (25 bis 35 % der JCA)
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Mädchen häufiger als Jungen (etwa 70:30)
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Beginnalter unter 6 Jahre
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Asymmetrische Arthritis meist 1 bis 4 Gelenke, in einer erweiterten Form
bis 9 Gelenke betreffend, bevorzugt sind Knie- und Sprunggelenke befallen
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Chronische Iridozyklitiden (30 bis 50 %)
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BKS und CRP sind meist nur leicht oder mäßig erhöht, sie
können aber auch im Normbereich liegen
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Antinukleäre Antikörper positiv (70 bis 80 %)
Oligoarthritis Typ II (25 bis 30 % der JCA)
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Jungen häufiger als Mädchen betroffen (etwa 80:20)
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Beginnalter über 6 Jahre
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Asymmetrische Arthritis mit bevorzugtem Befall der Hüft-, Knie-, Sprunggelenke
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Enthesiopathien (40 bis 50 %)
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Akute lridozyklitis (10 bis 15 %)
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Rückenschmerzen (30 bis 40 %)
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Positive Familienanamnese (20 bis 30 %)
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Aktuelle Entzündungszeichen (BKS, CRP) ähnlich wie Oligoarthritis
Typ 1
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HLA-B27 positiv (70 bis 80 %)
Ein Übergang in die juvenile Spondarthritis ist bei röntgenologisch
manifestes Sakroiliitis gegeben.
Seronegative Polyarthritis (20 bis 30 % der JCA)
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Mädchen häufiger als Jungen befallen (etwa 60:40)
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Kein Altersgipfel - alle Altersgruppen sind gleichmäßig betroffen
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Symmetrische Arthritis der großen und kleinen Gelenke einschließlich
Kiefergelenke, HWS
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IgM-Rheumafaktor ist definitionsgemäß negativ
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Allgemeine Entzündungszeichen (BKS, CRP) sind häufig nachweisbar,
gelegentlich normal
Seropositive Polyarthritis (5 % der JCA)
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Mädchen häufiger als Jungen betroffen (70:30)
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Beginnalter meist über 10 Jahre
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Überwiegend symmetrische Arthritis der großen und kleinen Gelenke,
bevorzugt der Hand-, Fingergelenke
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Subkutane Rheumaknoten (20 bis 30 %)
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BSG und CRP sind im akuten Stadium erhöht
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IgM-Rheumafaktor definitionsgemäß positiv (mindestens 3 unabhängige
positive Ergebnisse)
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Antinukleäre Antikörper positiv (60 bis 70 %)
Systemische juvenile chronische Arthritis (10 bis 15 % der JCA)
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Mädchen ebenso häufig wie Jungen betroffen
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Beginnalter meist unter 6 Jahre
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Fieber über 39 Grad mindestens 2 Wochen anhaltend
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Exanthem (90 bis 95 %)
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Polyarthritis (60 %), Oligoarthritis (40 %, die Arthritis kann den Fieberattacken
Wochen, Monate oder auch Jahre später nachfolgen)
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Hepato-/Splenomegalie (60 bis 70 %)
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Peri- bzw. Perimyokarditis (30 bis 40 %)
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Pleuritis, Peritonitis (10 bis 20 %)
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Ausgeprägte allgemeine Entzündungszeichen: BKS, CRP sind stark
erhöht, es besteht eine Leukozytose mit Linksverschiebung, Thrombozytose
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Entwicklung einer Amyloidose (5 bis 10% )
Sonderformen
Zur juvenilen chronischen Arthritis nach EULAR/WHO gehört auch die
juvenile Psoriasis-Arthritis. Folgende Definitionen sind gebräuchlich:
Arthritis mit Beginn vor dem 17. Lebensjahr, verbunden mit Psoriasis, welche
der Arthritis entweder vorausgeht oder innerhalb von 15 Jahren nachfolgt
(5).
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Arthritis verbunden mit typischer Hautpsoriasis, nicht unbedingt im zeitlichen
Zusammenhang oder
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Arthritis mit mindestens 3 von 4 Nebenkriterien: Daktylitis, Tüpfelnägel,
psoriasisähnliche Hautveränderungen oder Familienanamnese mit
Psoriasis (wahrscheinliche juvenile Psoriasis-Arthritis definiert als Arthritis
plus 2 Nebenkriterien) (7).
Exklusionen
Wichtigste Differentialdiagnosen zur juvenilen chronischen Arthritis sind
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andere rheumatische Erkrankungen: Reaktive Arthritis (= akute rheumatische
Arthritiden einschließlich Rheumatisches Fieber), Kollagenosen, systemische
Vaskulitissyndrome einschließlich M. Behçet, infantile Sarkoidose,
Familiäres Mittelmeerfieber;
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Infektionen: Septische Arthritis mit oder ohne Osteomyelitis, einschließlich
TBC, Lyme-Borreliose, Virusinfektionen (insbesondere EBV, Röteln,
Zytomegalie, Hepatitis B), Mykosen;
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Maligne Erkrankungen: Leukosen und andere maligne Systemerkrankungen, Tumore
(Metastasen);
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Stoffwechselstörungen/Immundefekte: diabetische Cheiropathie, Arthritis
bei Mukoviszidose, Arthritis bei Fettstoffwechselstörungen, Speicherkrankheiten,
Agammaglobulinämie, septische Granulomatose;
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Hämatologische Erkrankungen: Sichelzellanämie, Hämophilie/Blutergelenk;
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Weitere Erkrankungen des Skelettsystems/Bewegungsapparates: Coxitis fugax,
Fremdkörpersynovialitis, Trauma (Unfälle und Mißhandlungen),
aseptische Nekrosen (M. Perthes u.a.), Osteochondritis dissecans, Chondropathia
patellae, Epiphysiolysis capitis, Adoleszentenchondrolyse, Algodystrophie,
gutartige Tumore (Osteoid-Osteom u.a.), Villonoduläre Synovialitis,
intraartikuläres Hämangiom, synoviale Chondromatose, Skelettdysplasien,
juveniles Fibromyalgie-Syndrom, Hypermobilitätssyndrom.
Literatur
-
Brewer EJ, Bass J, Baum J, Cassidy JT, Fink CW, Jacobs JC, Hanson V, Levinson
JF, Schaller JG, Stillmann JS (1977) Current proposed revision of JRA criteria.
Arthr Rheum 20 (Supplement): 195 - 199
-
Cassidy JT, Levinson JE, Bass JC, Baum J, Brewer EJ, Fink CW, Manson V,
Jacobs JC, Masi AT, Schaller JG, Fries JF, McShane D, Young D (1986) A
study of classification for a diagnosis of juvenile rheumatoid arthritis.
Arthr Rheum 29: 274 - 281
-
Häfner R, Michels H, Sänger L, Truckenbrodt H (1990) Diagnosehilfen:
Die juvenile chronische Arthritis. In: Matthies H, Häfner R Litera
Rheumatologiea EULAR-Verlag, Basel
-
Kvien TK, Hoyeraal HM, Kass E (1982) Diagnostic criteria of rheumatoid
arthritis in children. Scand J Rheumatol 11: 187 - 192
-
Lambert JR, Ansell BM, Stephenson E, Wright V (1976) Psoriatic arthritis
in childhood. Clin Rheum Dis 2: 339 - 352
-
Munthe E (1977) Diagnostic Criteria, Nomenclature, Classification. In:
The Care of Rheumatic Children. EULAR Bulletin 3: Session VI EULAR Publ,
Basel pp 42 - 50
-
Southwood TR, Petty RE, Malleson PN, Delgado EA, Hunt DW, Wood B, Schroeder
ML (1989) Psoriatic arthritis in children. Arthr Rheum 32: 1007 1013