Arthritis psoriatica, Arthritis und Spondylitis bei Psoriasis
Definition
Jede Arthritis mit Psoriasis, die nicht andere diagnostische Kriterien
erfüllt.
Die Arthritis psoriatica (PA) ist charakterisiert durch das Vorhandensein
einer Rheumafaktor- (sero-) negativen Arthritis der peripheren Gelenke
und/ oder einer Spondylitis zusammen mit einer Psoriasis der Haut oder
Nägel. Die Psoriasis geht den rheumatischen Manifestationen meist
voraus, selten tritt sie gleichzeitig mit ihnen auf, noch seltener folgt
sie nach (Arthritis psoriatica sine psoriase). Für die PA charakteristisch
ist die Beteiligung der Endgelenke der Finger und Zehen, ein Strahlbefall
und röntgenologisch das Nebeneinander von destruierenden und produktiven
Veränderungen.
Am häufigsten ist die periphere Form der PA mit asymmetrischer
Oligo- oder Polyarthritis, anfallsartiger Gelenksymptomatik, häufigem
Befall der distalen Interphalangealgelenke und charakteristischem Strahlbefall
(Daktylitis). Seltener ist eine axiale Form (Spondylitis psoriatica) mit
Iliosakralarthritis und Spondylitis (Parasyndesmophyten). Mischformen sind
durch die gleichzeitige Manifestation an Gelenken und Wirbelsäule
gekennzeichnet.
Der Verlauf ist sehr variabel. Am häufigsten finden sich chronische
bzw. chronisch-schubweise Formen, aber auch rezidivierende Verläufe
in Form anfallsartiger Attacken, intermittierender Schüben mit länger
anhaltenden Rezidiven und kurzdauernder, plötzlich einfallender (palindromer)
Schübe.
Kriterien
International verbindlich, evaluierte Klassifikations- und Diagnosekriterien
für die PA liegen nicht vor. Von englischen Autoren vorgeschlagene
Diagnosekriterien fordern den Befall von mindestens 3 Gelenken, wodurch
jedoch monarthritische Formen nicht erfaßt werden.
Diagnostische Kriterien nach Moll und Wright
Arthritis von 3 oder mehr Gelenken
Rheumafaktoren negativ
Rheumaknoten negativ
Befund oder Anamnese von psoriatischen Veränderungen der Haut oder
Nägel
Diagnostisch wichtige Krankheitsmerkmale
Schmerz und Schwellung an Finger- und/oder Zehenendgelenken
Schmerz und Schwellung aller 3 Gelenke eines Fingers oder einer Zehe als
"Strahlbefall" (Daktylitis)
Psoriasis beim Patienten oder in der nahen Verwandtschaft
Rheumafaktoren negativ
BKS beschleunigt
Röntgenologisch an den Gelenken Nebeneinander von erosiv-destruierenden
Veränderungen und periostalen Anbauten ("Protuberanzen") sowie Periostitis,
Akroosteolysen, Ankylosen.
Zusätzliche wichtige Krankheitssymptome
Charakteristische extraartikuläre und viszerale Manifestationen. Am
häufigsten sind Enthesopathien (dorsaler und plantarer Calcaneus,
Patella, Trochanter major, Clavicula), Bursitiden (z. B. Achillo-Bursitis),
Tenosynovialitiden (z. B. Fingerstrecker und -beuger) und Synchondritiden
(Synchondrose zwischen Manubrium und Corpus sterni, Symphyse). Nicht selten
sind auch Augenmanifestationen in Form einer Iridocyclitis (5 bis 18 %)
und Konjunktivitis (12 bis 20 %). Selten wird eine Amyloidose, Aortenklappenbeteiligung
und Myositis beobachtet.
Hautmanifestation der Psoriasis. Das Spektrum umfaßt neben der Psoriasis
vulgaris mit vorzugsweisem Befall der Streckseiten auch die Psoriasis inversa
mit bevorzugtem Befall der Beugeseiten, die Psoriasis pustulosa palmoplantaris
und die generalisierte Erythrodermie. Nicht selten ist die Psoriasis nur
gering ausgeprägt an versteckten Stellen zu finden wie retroaurikulär,
am behaarten Kopf, Nabel, in der Rima ani ("Verstecke der Psoriasis").
Die PA weist in bis zu 80 % psoriatische Nagelveränderungen auf im
Gegensatz zur Psoriasis ohne Arthritis mit Nagelbefall nur in 15 bis 30
%. Diese Nagelveränderungen können auch alleiniges Symptom der
Psoriasis sein. Als typische Nagelveränderungen finden sich partielle
oder totale weiße Nagelflecken (Leukonychie), Querfurchen, Tüpfelungen,
Krümelnägel und selten eine totale Onycholyse.
Laborbefunde. Es gibt keine spezifischen Parameter. Die Entzündungswerte
(BKS, CRP) können oft normal sein. Unter den Immunglobulinen ist besonders
das IGA erhöht, in schweren Fällen auch das IgM. Bei den axialen
Formen mit Sakroiliitis ist das HLA-B27 gehäuft vorhanden, jedoch
seltener (etwa 35 %) als bei der Spondylitis ankylosans. Bei der arthritischen
Form ohne Sakroiliitis ist das HLA-B27 nur in 14 bis 24 % positiv. Weitere
beschriebene Assoziationen zum HLA-B13, -B17, -B38, -B39, -DR4 und -DR7
haben keine diagnostische Bedeutung.
Differentialdiagnose
Ein mono- und oligoartikulärer Beginn der PA macht vor allem eine
Abgrenzung gegenüber den reaktiven Arthritiden und anderen Spondarthritiden
notwendig. Bei palmo-plantarer Pustulosis kann die Differentialdiagnose
gegenüber dem SAPHO-Syndrom und der Keratodermia blenorrhagica des
ReiterSyndroms schwierig sein.
Bei polyartikulärem Befall hilft für die Abgrenzung gegenüber
der chronischen Polyarthritis das für die PA charakteristische Fehlen
der Rheumafaktoren und Rheumaknoten. Die Kombination von positiven Rheumafaktoren,
Polyarthritis und Psoriasis sprechen eher für eine zufällige
Kombination einer chronischen Polyarthritis und Psoriasis. Nur bei dem
Vorhandensein der charakteristischen Röntgenveränderungen der
PA würde in solchen Fällen die Diagnose einer psoriatischen Arthritis
gerechtfertigt sein.
Da die Harnsäurewerte nicht selten erhöht gefunden werden,
kann bei akuter Monarthritis die Differentialdiagnose gegenüber einer
Arthritis urica schwierig sein. Ggf. ist dann allein der Nachweis von Natrium-Urat-Kristallen
im Gelenkpunktat das entscheidende differentialdiagnostische Kriterium
für eine Gichtmanifestation.
Wegen des Fingerendgelenkbefalles kommt es gelegentlich zu Schwierigkeiten
in der Abgrenzung gegenüber einer Fingerpolyarthrose.
Bei multipler Daktylitis in Kombination mit einer Handgelenksarthritis
kann eine diffuse Schwellung der Hand imponieren, so daß differentialdiagnostisch
eine Algodystrophie in Betracht gezogen wird.
Die Spondarthritis psoriatica muß gegenüber der idiopathischen
Spondylitis ankylosans und anderen Spondarthritiden abgegrenzt werden,
mit denen sie mono- oder oligosegmentäre, häufig asymmetrische
Syndesmophyten gemeinsam hat. Ein röntgenmorphologischer Hinweis auf
eine Spondarthritis psoriatica sind Parasyndesmophyten, spangenförmige,
paravertebrale Verknöcherungen, die im Gegensatz zu den Syndesmophyten
unterhalb der Wirbelkante abgehen und manchmal bis in die Höhe des
dar-überliegenden Ouerfortsatzes reichen bzw. ohne Kontakt mit den
Wirbeln entstehen. Parasyndesmophyten sind jedoch auch beim Reiter-Syndrom
anzutreffen.
Literatur
Mathies 1-1 (1984) Arthritis psoriatica In: Mathies H, Schneider P (Hrsg):
Rheumatische Krankheiten. Kompendium für die Praxis Deutscher ÄrzteVerlag,
Köln
Miehle W (1989) Arthritis psoriatica In: Fehr K, Miehle W, Schattenkirchner
M, Tillmann K (Hrsg): Rheumatologie in Praxis und Klinik. Thieme, Stuttgart
New York
Schilling F (1986) Arthritis und Spondylitis psoriatica. Steinkopff, Darmstadt
Wright V, Moll JMH (1976) Psoriatic arthritis. In: Seronegative Polyarthritis.
North Holland Publishing Company, Amsterdam