3.25 Gicht

Definitionen, Synonyma

Die Gicht ist Folge einer entzündlichen Reaktion auf die Bildung von Uratkristallen bei bestehender Hyperurikämie. Das klinische Spektrum reicht von der akuten Kristallsynovialitis bis zur chronischen Arthropathie. Die Hyperurikämie kann durch eine renale Ausscheidungsstörung oder endogene Mehrproduktion bedingt sein.
 
Gicht: Störung des Purinstoffwechsels als Allgemeinerkrankung. 
Arthritis urica: Gelenkentzündung, die durch Harnsäurekristalle verursacht wird.
Gichtsyndrom: Gesamtheit der durch eine Hyperurikämie bedingten (Stoffwechsel-) Veränderungen (veraltet). 
Hyperurikämie: Erhöhung der Harnsäurewerte über die Löslichkeitsgrenze im Plasmawasser von 6,4/100 ml (= 380 µmol/I). 
Für epidemiologische Studien wurden geschlechtsspezifische Normgrenzen festgelegt:
Frauen  = 6,2 mg /100 ml (= 360  µmol/l)
Männer = 7,4 mg /100 ml (= 420  µmol/l)

Epidemiologische Kriterien zur Diagnostik der Arthritis urica (New York 1966)

Die Diagnose der Arthritis urica kann gestellt werden: 
  1. Bei chemischem oder mikroskopischem Nachweis von Harnsäurekristallen in der Synovialflüssigkeit oder Ablagerung von Uraten in den Geweben.
  2. Bei Vorhandensein von zwei oder mehr der folgenden Kriterien:
    • eindeutige Anamnese und/oder Beobachtung von wenigstens zwei typischen Anfällen (s. u.) an den Extremitätengelenken;
    • eindeutige Anamnese und/oder Beobachtung von Podagra (= einer Attacke mit Befall der Großzehe);
    • klinisch nachgewiesene Tophi;
    • eindeutige Anamnese und/oder Beobachtung einer prompten Reaktion auf Colchicin, d. h. Verminderung der objektiven Entzündungszeichen innerhalb von 48 h nach Therapiebeginn.
Die Hyperurikämie wird hier nicht als Kriterium geführt. Dies bedeutet, daß bei Anwendung der Kriterien die Diagnose nicht schon nach dem ersten Anfall gestellt werden kann, wenn nicht die Großzehe befallen ist (was im Erstanfall nur bei 60 % vorkommt) und mit Colchicin behandelt wurde. Daher ist folgendes Vorgehen zu empfehlen.

Wahrscheinlichkeitsdiagnose

Sie wird gestellt bei typischem Anfall mit den drei Kennzeichen Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose

Zusätzliche diagnostische Regeln

Sonstige Symptome und Begleiterkrankungen

Zur erweiterten Gichtdiagnostik gehören daher auch Maßnahmen zum Ausschluß dieser Begleiterkrankungen.

Differentialdiagnose

Auszuschließen sind alle akut beginnenden monartikulären Prozesse, u. a. der Palindrome Rheumatismus (kürzere Schubdauer von 1 bis 3 Tagen), die Chondrokalzinose (eher Befall großer Gelenke, andere Kristallform, siehe Kapitel 1.4, 3.26), die Hydroxylapatit-Kristallarthropathie (bei Frauen mit akuter Entzündung im Großzehengrundgelenk), eine infektiöse oder reaktive Arthritis, eine Hallux-rigidus-Arthrose, statische Beschwerden, ein Erysipel, eine Phlegmone, Thrombophlebitis. Bei Veränderungen an den Fingerendgelenken handelt es sich fast immer um die Heberden-Arthrose, bei Frauen kann sich bei primärer Arthrose dort in seltenen Fällen auch eine Arthritis urica manifestieren.

Primäre kindliche Gicht (Lesch-Nyhan-Syndrom)

Es handelt sich um eine seltene, geschlechtsgebunden-rezessiv vererbte, ausschließlich das männliche Geschlecht betreffende, auf einem Mangel an Hypoxanthin-Phosphoribosyltransferase (HPRT) beruhende Erkrankung. Neben den Symptomen der Gicht (u.a. Nephrolithiasis, Tophi) finden sich charakteristische, aber variabel auftretende Zeichen von seiten des ZNS: Choreoathetose, spastische Krämpfe, Automutilation, geistige Retardierung.

Literatur

  1. Mertz DP (1993) Gicht. 6. Aufl. Thieme, Stuttgart New York
  2. Schattenkirchner M, Gröbner W (1989) Arthropathia urica. In: Fehr K, Miehlke W, Schattenkirchner M, Tillmann K (Hrsg) Rheumatologie in Klinik und Praxis. Thieme, Stuttgart New York
  3. Wallace SL, Robinson H, Masi AT, Decker JL, McCarty DJ, Yü T-F (1977) Preliminary criteria for the classification of the acute arthritis of primary gout. Arthr Rheum 20: 895 - 900
  4. Zöllner N (Hrsg) (1990) Hyperurikämie, Gicht. Springer, Berlin Heidelberg