2.2 Untersuchung des Gelenkpunktates (Synovialanalyse)
Gelenkpunktionen und Synoviaanalyse sind indiziert bei jeder unklaren Arthropathie,
die mit Gelenkerguß einhergeht, insbesondere wenn eine septische
oder kristallinduzierte Arthropathie vermutet wird.
Pathologische Veränderungen
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Die Synovialflüssigkeit wird klassifiziert entsprechend dem Aussehen,
dem Zellgehalt und der Viskosität des Ergusses. Nicht entzündlich:
Synovialflüssigkeit bei Arthrose und Trauma. Sie ist klar, bernsteinfarben.
Die Leukozytenzahl liegt unter 3000, meist unter 1000 /mm³ ; der Granulozytenanteil
bei unter 25 %; mononukleäre Zellen überwiegen. Die Viskosität
ist normal.
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Entzündlich: Gelenkflüssigkeit bei Rheumatoider Arthritis, Gicht
und anderen entzündlichen Gelenkerkrankungen. Die Flüssigkeit ist trübe,
gelblich. Die Leukozytenzahl liegt zwischen 3000 und 50000 /mm³ .
Polymorphkernige Granulozyten überwiegen. Es finden sich zahlreiche
(über 35 %) Rhagozyten, der Anteil der Granulozyten liegt bei über
25 %. Der Proteingehalt ist erhöht, die Viskosität gering.
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Infektiös: Synovialflüssigkeit bei septischer Arthritis. Die
Flüssigkeit ist trübe und opak, die Leukozytenzahlen liegen in
der Regel über 50 000 /mm³, über 75 % sind Granulozyten.
Der Eiweißgehalt ist erhöht, die Viskosität gering. Der
Erregernachweis wird im gramgefärbten Präparat und in der Kultur
geführt.
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Hämorrhagisch: Blutbeimengungen sind als technisch - durch Anstechen
eines Gefäßes - bedingt oder genuin zu differenzieren (Zentrifugieren,
mikroskopische Beurteilung der Erythrozyten). Genuine Blutungen sind typisch
für Blutergelenke, bei der villonodulären Synovialitis, nach
Traumen, bei Gelenkfremdkörpern, sehr selten bei Arthrose, Gicht und
Antikoagulantientherapie.
Sammlung und Transport der Proben
Das Punktat ist für Routineuntersuchung auf drei sterile Röhrchen
aufzuteilen:
- EDTA-Blut zur Bestimmung der Zellzahl und Anfertigung eines Ausstrichpräparates;
- eine Probe ohne Zusatz zum Kristallnachweis und Bestimmung des Eiweißgehaltes;
- bei geringstem Verdacht auf septische Arthritis ist die bakteriologische
Untersuchung zu veranlassen.
Es sollte angestrebt werden, die Voraussetzungen für die Durchführung
des diagnostischen Minimalprogramms in der punktierenden Einrichtung zu
schaffen. Zur Bestimmung der Gesamtzellzahl wird der Erguß sofort
nach der Entnahme in einer Leukozytenpipette aufgezogen und in der Neubauer-Zählkammer
ausgezählt. Bei Notwendigkeit des Versandes empfiehlt sich eine Absprache
zwischen dem Einsender und der Untersuchungsstelle. In der Regel wird ein
Ausstrich angefertigt und dieser zusammen mit dem Überstand des zentrifugierten
Punktates unter den üblichen, für den Postversand gültigen
Kautelen eingesandt.
Das diagnostische Minimalprogramm umfaßt die makroskopische Beurteilung,
die Abschätzung der Viskosität, die Bestimmung der Gesamtzellzahl,
das Differentialzellbild, den Kristallnachweis sowie bei jedem klinischen
Verdacht auf septische Arthritis die bakteriologische Untersuchung.
Makroskopische Untersuchung des Gelenkpunktates
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Bestimmung des Volumens: Die Menge des Ergusses ist kein Hinweis auf die
Schwere der Arthritis; kleine Volumina beweisen nicht die geringe Aktivität
des Gelenkprozesses. Die vollständige Gewinnung des Ergusses kann
durch Kammerung, Fibrinflocken, Reiskörper oder Debris erschwert sein.
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Farbe und Trübung: Normale Gelenksynovia ist farblos und transparent.
Trübung gilt als Maß für den Zellgehalt und damit für
die entzündliche Aktivität im Gelenk. Sie kann auch hervorgerufen
werden durch Kristalle, Lipide, Fibrin oder Amyloid. Chronisch entzündete
Gelenke enthalten häufig Reiskörper, bestehend aus Kollagen,
Zelldebris und Fibrin. Bei Ochronose ist die Flüssigkeit mit dunklen
Partikeln gesprenkelt.
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Viskositätsmessung durch Abtropfen von der Kanüle: Die Viskosität
nimmt mit dem Grad der Entzündung ab. Hohe Viskosität zeigt die
normale Gelenkflüssigkeit bzw. der Inhalt von Ganglien. Sie hängt
ab von der Konzentration an Hyaluronsäure.
Obligate mikroskopische Untersuchungen
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Leukozytenzählung: Gestattet die Klassifikation nach nicht entzündlichen,
entzündlichen und septischen Ergüssen. Bei der Zählung soll
die Aufschwemmung in 0,3 % Kochsalzlösung erfolgen, um das Verklumpen
der Synovialflüssigkeit und damit falsche Ergebnisse bei Zählung
der Leukozyten zu vermeiden. Zur Gerinnungshemmung bei entzündlichen
Ergüssen muß EDTA oder Heparin zugesetzt werden.
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Ausstrichpräparate: Die Färbung nach Giemsa erlaubt die Differentialzellzählung.
Bei Leukozytenzahlen über 5000 können gute Ausstrichpräparate
von der Nativflüssigkeit gemacht werden, bei niedrigerem Zellgehalt
ist eine Anreicherung durch Zentrifugation zu empfehlen. In den luftgetrockneten,
nach Giemsa gefärbten Ausstrichpräparaten können polymorphkernige
Granulozyten, Monozyten, kleine Lymphozyten und große mononukleäre
Zellen (transformierte Lymphozyten, Monozyten, Synovialdeckzellen) differenziert
werden. Die Synovialdeckzellen besitzen einen Durchmesser von 20 bis 40
µm und einen exzentrischen Kern. Gelegentlich können LE- oder
Tumorzellen gefunden werden. Gramgefärbte Ausstriche müssen angefertigt
werden bei Verdacht auf infektiöse Arthritis. Das Fehlen von Bakterien
bei Gramfärbung schließt die Möglichkeit eines septischen
Gelenkes nicht aus.
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Untersuchung unter dem Polarisationsmikroskop (siehe auch Kapitel 1.4,
3.25, 3.26): Sie wird besonders
zum Nachweis von Kristallen verwendet. Neben den Natriumurat-, CPPD-(4) und
sonstigen "biologischen" Kristallen können Rückstände von
infizierten kristallisierten Kortikosteroiden, Heparin oder EDTA als Antikoagulans
vorkommen.
Sonstige Untersuchungen
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Nachweis der Rhagozyten: Es handelt sich um Leukozyten mit zytoplasmatischen
Einschlüssen. Sie finden sich gehäuft bei entzündlichen
Gelenkerkrankungen, ihr diagnostische Aussagewert ist jedoch gering. Aus dem Sediment läßt sich ungefärbt unter dem
Phasenkontrastmikroskop oder mittels PAS-Färbung der Prozentgehalt
der Rhagozyten bestimmen.
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Eiweißgehalt: Der Gesamteiweißgehalt liegt bei nicht entzündlichen
Ergüssen unter 32 g/l und nähert sich mit zunehmender Entzündungsaktivität
den Blutwerten an.
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Immunserologische Parameter spielen für praktisch-diagnostische Zwecke
keine Rolle.
Literatur
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McCarty DJ (1993) Arthritis and Allied Conditions. Lea & Febiger, Philadelphia
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Mielke H, Zeidler H (1989) Rheumatologie. Urban & Schwarzenberg, München
-
Schumacher HR, Reginato AJ (1991) Atlas of Synovial Fluid Analysis and
Crystal Identification. Lea & Febiger, Philadelphia
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Swan A, Price G, Dieppe P (1999) Praktische Schritte zur Verbesserung der Genauigkeit der Identifizieung von Urat- und Pyrophophatkristallen in Synovialflüssigkeiten. Rheumatol Eur 28: 111-112